Elektrownia Powiśle
Warszawa, ul. Dobra 42,
Galeria Powiśle, poziom +2
12. Mai - 20. Juni 2022
Tadeusz Rolke: KUNSzT
Deutsche Künstler der 1970er Jahre
Als Tadeusz Rolke Anfang der 1970er Jahre nach Deutschland übersiedelte und sich in Hamburg niederließ, geriet er relativ schnell in den professionellen Kreislauf der fotografischen Tätigkeit. Hamburg war damals ein blühendes Pressezentrum von großer Bedeutung, so dass die Karrieremöglichkeiten für einen professionellen Fotografen recht groß schienen. Rolke begann mit Pressekonzernen wie Gruner + Jahr, Herausgeber des einflussreichen Wochenmagazins “Stern”, zusammenzuarbeiten, fotografierte unter anderem für den “Spiegel”, “Geo” sowie die Tagespresse. Dabei ging er seinem Interesse an einem breiten Spektrum zeitgenössischer Kunst nach und besuchte Museen, Galerien, knüpfte Kontakte und Freundschaften im künstlerischen Umfeld Hamburgs.
So erhielt er gleich zu Beginn seines insgesamt zehnjährigen Aufenthalts in der Stadt ein Angebot der staatlichen Agentur Inter Nationes, eine Serie von Porträts von Künstlern zu erstellen, die in verschiedenen Zentren arbeiteten. Kurz darauf bekam er dazu ein ähnliches Angebot von der Kulturbehörde der Stadt Hamburg. Auf diese Weise schuf Tadeusz Rolke in nur wenigen Monaten eine Reihe von Diapositiven. Sie bilden eine einzigartige und außergewöhnliche, noch nie öffentlich ausgestellte Sammlung, von der nur einzelne Porträts von Joseph Beuys und Gerhard Richter bekannt sind, da der Ruhm dieser Künstler weit über lokale Kreise hinausging. Und es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Kunst der 1970er Jahre durch ihre Vielfalt begann, neue Bedeutungen anzunehmen und etablierte Muster zu überschreiten. Die Künstler begannen neue Mittel und Materialien einzusetzen welche bis dahin in der Kunst nicht verwendet worden waren. Dies ermöglichten es, neue räumliche Formen und neue, verschiedene Arten von Installationen zu schaffen.
Tadeusz Rolke, der Porträts von deutschen Künstlern anfertigte, machte sich dieses Phänomen zunutze. Seine Protagonisten werden nicht nur in klassischen Posen dargestellt (obwohl es auch solche Aufnahmen in dieser Sammlung gibt), sondern sie werden in der Regel so präsentiert, dass ihre Werke ein ebenso wichtiges Element darstellen, das die einzelnen Bilder ergänzt und bereichert. Durch den geschickten Einsatz von Fragmenten ihrer Ateliers (die meisten Fotografien sind in Innenräumen aufgenommen) und die richtige Balance des Lichts gelingen Rolke ausdrucksstarke Bilder von Menschen, deren Leidenschaft die Kunst ist. Die Fotografien zeigen nicht nur Menschen, sondern auch Gemälde, Drucke, verschiedene Objekte, räumliche Formen, Skizzen und Zeichnungen. Es gibt Fotografien in dieser Sammlung, die die Konvention des “Porträts im Innenraum” noch stärker überschreiten, wenn Rolke die Künstler ins Freie führt und eine ganz andere Erzählung schafft, wie im Fall des Hamburger Künstlers, der über einen riesigen Ball im Tor fliegt, als die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland beginnt.
Ein anderes Mal stellt er sich den Lithographen und Grafiker Bruno Bruni vor, der exemplarisch in einem Sessel sitzt, seinen Stock schnell dreht und so seine statische Pose dynamisiert. In einem anderen Fall posiert Karl Heinz Engelin, dessen Werk sich auf Stein- und Metallskulpturen im urbanen Raum konzentriert, mit einer durchbrochenen Form über den Schultern, als würde er sich selbst Flügel verleihen. Der in Hamburg lebende brasilianische Künstler Almir da Silva Mavignier hingegen ist im Entstehungsprozess eines Gemäldes gefangen, genau in dem Moment, in dem er Ölkleckse auf eine geometrische Leinwand aufträgt. Heidi Meyer, eine junge Hamburger Malerin, posiert im Profil vor dem geöffneten Fenster ihres Ateliers, wo wiederum eine Reihe von Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes eine interessante doppeldeutige Perspektive schaffen. Dies ist ein bewusstes kompositorisches Element, das der Fotograf einsetzt, um die Art der Arbeit der Künstlerin und die Umgebung, in der sie arbeitet, zu betonen.
Das Gesicht des Autors illusionistischer Drucke Dieter Kressel erscheint in einem Spiegel, der vor seinem Gemälde steht, während Reinhard Vogt in einer Malerschürze vor seinem verpixelten, vielfarbigen Bild steht.
All diese Elemente des Hintergrunds, die Tadeusz Rolke bei der Darstellung des Künstlermilieus so frei und sensibel in seine Fotografien einbaut, sind seine eigene Innovation und eine interessante Art der Individualisierung seiner Figuren. Das Ergebnis ist ein reichhaltiger und umfassender Bericht über das Umfeld von Künstlern, die in verschiedenen Bereichen der Kunst tätig sind und mit unterschiedlichen Techniken und Materialien arbeiten. Es ist auch ein sehr wertvolles und konsequentes Zeugnis einer Zeit, in der die deutsche Kunst ein vielseitiges Feld war, in dem sich Richtungen und Tendenzen abzeichneten. Tadeusz Rolke, der in seiner Jugend selbst Kunstgeschichte studiert und sowohl früher als auch später polnische Künstlerkreise fotografiert hat, hat diese wertvolle Registrierung mit der ihm eigenen Sensibilität an dem Ort vorgenommen, an dem er einige Zeit gelebt und gearbeitet hat.
Die Erinnerung oder vielmehr die Entdeckung einer solchen separaten Sammlung von Diapositiv-Fotografien nach vielen Jahren beweist einmal mehr seine ununterbrochene Verbindung zur Kunst. Die Fotografie ist zu einem festen und unumstrittenen Bestandteil dieser Beziehung geworden.'
Marek Grygiel
Kurator der Ausstellung
Tadeusz Rolke, geboren 1929 in Warschau, wo er in den 1950er und 1960er Jahren lebte und als Fotojournalist (Zeitschriften “Stolica”, “Polska”), Modefotograf (“You and I”), Fotokünstler, Dozent (Warschauer Schule für Fotografi e, Universität Warschau) und Herausgeber (Mitbegründer von edition. fotoTapeta) tätig war. Nach dem Warschauer Aufstand wurde er zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Nach dem Krieg studierte er Kunstgeschichte in Lublin und Warschau. In der stalinistischen Zeit wurde er inhaftiert.
In den 70er Jahren siedelte er nach Hamburg um. Dort fotografierte er u.a. für den "Stern", die "Geo" und "Art" und wirkte bei Theaterfestivals in Italien, Frankreich und Holland mit. Er hat zahlreiche Reisen unternommen, unter anderem in die UdSSR, nach Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Israel, in die Slowakei, nach Ungarn, Litauen und in die Ukraine. Er ist Autor zahlreicher Ausstellungen und fotografischer Veröffentlichungen. Kürzlich wurde das Album "Wir waren hier" veröffentlicht, welches als eine der wichtigsten Dokumentationen zur Erinnerung an die jüdische Minderheit gilt und nun seit fast 30 Jahren durchgeführt wird. Seine Werke sind in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen in Polen und im Ausland zu finden. Nach 1989 arbeitete er mit der "Gazeta Wyborcza" zusammen. Bis zum heutigen Tag fotografiert er ohne Unterbrechung.
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